r1 - 05 Dec 2006 - 17:27:51 GMT - FriederSchmidt?You are here: Bernstein > Handbook Web > HandbookAppendixLoeberKriterien
Kriterien der Gleichheit von Wasserzeichen *

Von E. Loeber

Wir gehen von der Verfertigung des handgeschöpften Papiers aus, das Bogen für Bogen geschöpft, gegautscht, gepreßt, getrocknet und eventuell noch geleimt und geglättet wird. Dabei gilt der Grundsatz: Kein Vorgang wiederholt sich jemals unter völlig gleichen Verhältnissen. Dies impliziert, daß auch das Resultat prinzipiell sich stets vom vorigen und nächsten unterscheidet. Die Unterschiede mögen noch so geringfügig sein, sie sind trotzdem nicht zu leugnen. Fragen wir jetzt, woraus entstehen die Unterschiede zwischen den Bögen des handgeschöpften Papiers, so sind folgende Gründe aufzuführen:

A — Der Stoff

  1. Nach jedem Schöpfvorgang wird der Fasergehalt in der Bütte nicht nur geringer, auch
  2. das Verhältnis zwischen langen und kurzen Fasern ändert sich zuungunsten der erstgenannten.
  3. Ein Beifüllen der Bütte ändert abermals den Fasergehalt, jetzt aber zugunsten der längeren Fasern und Höhe des Fasergehaltes.
  4. Der jeweils aus der Bütte geschöpfte Stoff ändert sich also fortwährend, was seine Konsistenz und Zusammensetzung betrifft (an langen und kurzen Fasern).
  5. Auch legen sich diese Fasern, durch das Schwenken der Form beim Schöpfen und dem sogenannten Schließen des Bogens, jedes Mal anders auf das Sieb und um die Drahtform, und
  6. wird bei jedem Bogen das Verhältnis zwischen Fasern in Quer- und Längsrichtung Unterschiede aufweisen.
  7. Ändert man die Stoffzusammensetzung (Leinen, Hanf bzw. Baumwolle), so muß man mit ziemlich großen Unterschieden in der Durchsicht des Papiers rechnen (und später auch bei der Schrumpfung während des Trocknens).
  8. Auch der Grad der Fäulung und Mahlung sind hier jeweils von Bedeutung und rufen Unterschiede hervor, die sich in der Klarheit des Wasserzeichens und in dessen Größe auswirken.

B — Die Schöpfform

  1. Ausgangspunkt bildet hierbei eine der beiden Schöpfformen eines Formenpaares, da niemals zwei Schöpfformen in ihren Bodendrähten und Drahtfiguren und deren gegenseitige Lage völlig gleich sind.
  2. Diese eine Schöpfform ist aber im Laufe der Arbeit Änderungen ausgesetzt, und zwar am stärksten während des Gautschens, wobei die Form auf den Filz gedrückt wird.
  3. Dabei ermüdet das Metall des Siebes und der Drahtfigur durch die fortwährende Beanspruchung.
  4. Dies wirkt sich am ersten auf die Näh- und Bindedrähte aus, auf die Dauer aber auch auf die Rippungsdrähte und Drahtfigur.
  5. Wenn erstgenannte sich lockern oder lösen, kann die Drahtfigur sich nach links oder rechts verschieben (eher als auf- und abwärts), während
  6. der Abstand zwischen den Bodendrähten Änderungen erfährt.
  7. Dann treten an der Drahtfigur Verbiegungen auf,
  8. und endlich lösen sich Teile derselben und brechen ab.
  9. Notwendige Reparaturen werden ausgeführt, indem man
  10. Nähstellen ausbessert,
  11. die ganze Drahtfigur neu aufnäht, oder sogar
  12. eine neue Drahtfigur ähnlicher Ausführung anbringt, sei es an gleicher Stelle oder um einige Bodendrähte höher oder tiefer.
  13. Auch mag es vorkommen, daß man die Drahtfigur auf eine andere Form aufnäht, falls die Boden- und Bindedrähte zu sehr gelitten haben, die Drahtfigur aber noch verwendbar ist. Die dabei entstehenden Unterschiede sind aber schon mit denen der Zwillingsform vergleichbar, falls diese nicht vorsätzlich anders angefertigt wurde.

C — Das Gautschen

  1. Drückt der Gautscher die Form stärker auf den Filz als gebräuchlich, so „zerquetscht“ er den nassen Stoff und beeinträchtigt damit die Siebmarkierung.
  2. Verschiebt sich die Form beim Gautschen, so wird nicht nur das Wasserzeichen unklar, es entstehen auch Größenabweichungen.
  3. Fahrlässiges Gautschen beansprucht Bodendraht und Drahtfigur übermäßig und ruft dann Änderungen an der Schöpfform hervor, wie in B 3—8 beschrieben.
  4. Auch die Saugfähigkeit der Filze übt hier ihren Einfluß auf die Durchsicht des Papierbogens aus.
  5. Ausbesserungen an den Filzen sind öfters in Papierbogen erkennbar, indem sie die Zeichnung der Rippung oder des Wasserzeichens zerstören.

D — Das Pressen

  1. Stärkeres oder schwächeres Pressen beeinflußt die Konsistenz, aber auch die Struktur des Papiers, vielleicht sogar
  2. die Größe der Bögen.
  3. Zu schnelles und zu starkes Pressen kann das Papier völlig zerquetschen, so daß Rippung und Wasserzeichen kaum noch sichtbar sind.

E — Das Trocknen

  1. Normalerweise ist die Schrumpfung der Papierbögen beim Trocknen prozentual ungleich in der Längen- bzw. Querrichtung; man rechnet heute bei handgeschöpftem Papier gewöhnlich mit vier bis viereinhalb Prozent in der Längsrichtung und zwei bis zweieinhalb Prozent in der Querrichtung des Bogens.
  2. Das Verhältnis zwischen diesen beiden Zahlen wird aber von der Faserlänge und vorherrschenden Faserrichtung ziemlich stark beeinflußt.
  3. Außerdem schrumpfen die Papierbögen nicht alle in gleichem Maße; schnelleres Trocknen ruft stärkere Schrumpfung hervor.
  4. Die bei den Dachluken aufgehängten Bögen oder die äußeren, falls in Lagen zum Trocknen gehängt wird, trocknen am schnellsten und werden daher am stärksten schrumpfen.
  5. Und schließlich wirken sich die von einem Tag auf den andern geänderten Witterungsverhältnisse verschieden auf Trocknung und Schrumpfung aus.
  6. Andere Stoffzusammensetzung (A—7) oder andere Mahlung und Fäulung (A—8) wirken sich ebenfalls deutlich in der Schrumpfung aus.

F — Die Leimung

  1. Das Anfeuchten mit Leim- und Alaunwasser und das abermalige Trocknen der Papierbögen dürften eine ähnliche Auswirkung auf das Papier haben wie unter Trocknen (E 1—6) erwähnt.
  2. Inwiefern die den Papierbogen überziehende Leimschicht irgendeinen Einfluß ausübt, ist mir nicht bekannt.

G — Das Glätten

  1. Obgleich beim Glätten Oberflächenunterschiede ziemlich bedeutend sein können, bin ich nicht der Meinung, daß dieser Arbeitsvorgang andere Änderungen am Papierzeichen hervorrufen könnte als sehr geringe Größenunterschiede.

H — Arbeiter

  1. Unter Umständen mag ein Wechsel der Arbeiter zu Unterschieden beim Schöpfen, Gautschen, Pressen usw. führen, welche sich im Papier auswirken. Hat doch jeder Arbeiter seine Eigenart.
  2. Das Einsetzen eines Lehrlings dürfte in dieser Hinsicht deutlichere Spuren hinterlassen.

Zweifelsohne sind manche der hier angeführten Gründe nicht die Ursache zu Unterschieden, welche von Bogen zu Bogen festzustellen wären. Trotzdem aber dürften sie ersichtlich werden, wenn man Papier aus dem Anfang und dem Ende einer Anfertigung oder aus mehreren Anfertigungen mit derselben Schöpfform vor sich hat. Immerhin ist aber der Schluß unumgänglich, daß kein handgeschöpfter Papierbogen mit einem anderen identisch ist.

Wenn wir trotzdem vom gleichen oder identischen Wasserzeichen reden wollen, so heißt es also zu bestimmen, welche Unterschiede wir übergehen sollen und welche als ausschlaggebend in der Filigranologie gelten sollen.

* In Papiergeschichte XX, 3/4, Oktober 1970, erörtert die Redaktion die Frage: Welche Verschiedenheiter können bei gleichen Sieben und Wasserzeichen auftreten, in welcher Größenordnung und worauf beruhen sie? — Zwar wendet sich die Redaktion mit ihrer Frage an qualifizierte Wasserzeichenforscher mit großer praktischer Erfahrung; eine Qualifikation welche ich keineswegs beanspruchen möchte. Trotzdem hoffe ich, durch diesen Beitrag wenigstens die Diskussion in Gang zu bringen.

Loeber, Edo G.: Kriterien der Gleichheit von Wasserzeichen / E. Loeber. - In: Papiergeschichte. - Darmstadt 21 (1971) 1/3. - pp. 15-17

-- FriederSchmidt - 05 Dec 2006

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